Dorina war kein Kind der Stadt; sie hatte ihre Kindheit auf dem Land irgendwo zwischen Himmel und Meer in den Lattari-Bergen im Hinterland Neapels verbracht, wo sie Ziegen und Hühner hütete. Eines Tages gelangte sie eher zufällig nach Neapel, und als sie all diese eleganten Damen sah, die die Straßen entlang flanierten, war ihr auf einmal klar, warum ihr ihre Mutter mitunter wunderlich, beinahe gelb vor Neid erschienen war – das war jedes Mal der Fall gewesen, wenn Gevatter Aniellos Frau vorbeischaute und dabei wunderliche Hüte mit Federn und Schleiern zur Schau trug. Nun begann Dorina zu verstehen, was diese hochnäsig Person, die ja eigentlich wegen der frischen Eier zu ihnen nach Hause kam, meinte, wenn sie von solch exquisiten Orten wie dem Theater oder dem Atelier ihrer Modistin sprach. Dorina beschloss, als Hausmädchen in der großen Stadt ihr Glück zu versuchen und fand auch gleich Anstellung in einem bürgerlichen Hause. Ihre Dienstherrin erwies sich jedoch als eingebildet und ekelhaft und behandelte ihre Zofe, in der sie nichts als ein ungebildetes und dümmliches Landmädchen sah, mit bösartiger Herablassung. Dorina floh bald schon aus diesem Haushalt ... und fand sich kurz darauf in einem ganz besonderes „Haus“ wieder, das voll von allem nur erdenklichen Luxus war, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Der Rest ist rasch erzählt ... das Geheimnis um den Geschlechtsakt war unserem Landkind bereits bestens bekannt – Dorina hatte darin niemals etwas schmutziges und tadelnswertes gesehen, sondern vielmehr die Quelle des Lebens, jenes Wunder, das kleine Lämmchen und Küken entstehen läßt. Und so tat Dorina viele Jahre lang in diesem noblen Freudenhaus unbekümmert ihre Dienste. Als alte Frau kehrte sie dann in ihr Elternhaus in den Bergen zurück, wo sie einen friedlichen Tod starb. Auf ihrem Grabstein steht lediglich „Dorina“ – das war all die Jahre ihr „Künstlername“ geblieben... Dorina, diesen Namen hatte sie als kleines Mädchen ihrem Lieblingszicklein gegeben.